Worauf es in der Projektarbeit wirklich ankommt
Von Mike Hubmann:
Ich erlebe in meiner Praxis als Coach von agilen Teams, dass die Retrospektiven oft sehr mechanisch und mit wenig Engagement ablaufen. Man spult die Fragen wie «liked, learned, lacked» oder «start, stop, continue» emotionslos ab, sammelt ein paar Eindrücke, klopft sich auf die Schulter und geht über zum Projektalltag. Kürzlich habe ich ein agiles Team begleitet, in welchem in den letzten Wochen die Fetzen geflogen waren. Man drehte sich im Kreis und kam nicht weiter. Missverständnis reihte sich an Missverständnis. Bei den Retros in diesem Team wurden die Probleme und Missstände jedoch überhaupt nicht angesprochen.
Retrospektiven sind nur sinnvoll, wenn sie engagiert gemacht werden und offen alle Themen angesprochen werden
Ein anderes Beispiel:
Ich durfte ein grosses Projekt einer Firma in der Finanzbranche leiten. Das Projekt war essentiell und von strategischer Bedeutung für das Unternehmen. Wir arbeiteten in einem grossen Team und kamen zielgerichtet vorwärts. In einer meiner wöchentlichen Abstimmungen mit dem Auftraggeber konfrontierte er mich jedoch mit der Aussage, ihm sei zu Ohren gekommen, dass wir komplett in die falsche Richtung unterwegs seien und wir wohl die strategisch gesetzten Ziele nicht erreichen würden. Dies traf mich wie ein Schlag und ich war völlig überrascht von dieser Aussage. Mit dem Auftraggeber pflegte ich bis dahin eine gute Beziehung auf Augenhöhe. Nach einer kurzen Diskussion konnte ich herauskristallisieren, von welcher Person die Kritik, beziehungsweise der Unmut über den Verlauf unseres Projektes kam. Mit dieser Person setze ich mich anschliessend zusammen. Im direkten Gespräch konnte ich alle Bedenken ausräumen. Ich stellt aber auch fest, dass wir diese Person zu wenig wertgeschätzt und zu wenig in die Projektarbeit involviert hatten. Die Person hatte wertvolles Wissen, welches wir nicht abgerufen haben. Ich habe diesen wichtigen Stakeholder dann immer wieder ins Boot geholt und er wurde schlussendlich zu einem der grossen Befürworter unseres Vorhabens.
Was verbindet diese zwei Erfahrungen miteinander und was hat es mit erfolgreicher Projektarbeit zu tun?
In meiner langen Erfahrung als Projektleiter, Coach und Teamentwickler habe ich gelernt, dass es nicht auf Methoden und Tools ankommt. Scrum oder SAFe können eine gute Orientierung geben und helfen, das Team auf eine nächste Entwicklungsstufe zu bringen. Wenn es jedoch bei der mechanischen Anwendung von Methoden oder Tools bleibt, sind Absturz und Misserfolg meist vorprogrammiert.
Die Essenz und der Erfolg der Projektarbeit liegt darin, wie gut es gelingt, die Beziehungen zwischen den Teammitgliedern zu gestalten
Es braucht eine konstruktive und tragfähige Kommunikation zwischen den Teammitgliedern. Die Gestaltung der Beziehungen untereinander und die Kommunikation sind wichtiger als die organisatorische Struktur im Team. Die Leistung eines Teams ist nicht einfach die Summe der Einzelleistungen, da kann durchaus viel mehr entstehen. Die Leistung des Teams hängt im Wesentlichen davon ab, wie gut es gelingt, die Interaktion zwischen den Teammitgliedern zu gestalten.
Ein gut eingespieltes Team welches sich mit Respekt und Wertschätzung begegnet, wird für jedes Problem eine Lösung finden – dabei spielt es keine Rolle ob es agil oder klassisch aufgestellt ist.